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The winner is … wie Agenturen international überzeugen

The winner is … wie Agenturen international überzeugen

GWA-Vorstand Roland Bös (Scholz & Friends) im Gespräch mit Mirjam Jentschke (fautLefaire)

 

Das Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ wird bis heute weltweit geschätzt. Aber gilt dies neben Spitzen-Leistungen deutscher Ingenieure auch für die Arbeit von Kreativen aus deutschen Landen? Über die Besonderheiten und Chancen für Agenturen bei internationalen Auswahlverfahren von Unternehmen hat GWA-Vorstand Roland Bös (Scholz & Friends) mit Mirjam Jentschke gesprochen. Sie war selbst lange Agenturentscheiderin für globale Marken und berät heute Kunden und Agenturen mit ihrer Beratung fautLefaire.

 

Die Akquise nationaler Etats gehört für die meisten Agenturen zum Tagesgeschäft. Was sind die Hauptunterschiede zwischen nationalen und internationalen Auswahlverfahren?

Es gibt meines Erachtens vier Hauptunterschiede. Erstens legen internationale Ausschreibungen den Fokus oft auf strategische Aufgabenstellungen wohingegen nationale Verfahren oft einen Fokus auf teils sehr kurzfristigen Umsetzungen haben. Und internationale Auswahlverfahren sind zweitens meist umfangreicher als nationale, weil mehr Inhalte gefordert werden. Drittens haben internationale Auswahlverfahren oft eine langfristige Zusammenarbeit zum Ziel. Als vierter Unterschied sind auf Kundenseite oft viele unterschiedliche Entscheider beteiligt. Da habe ich Entscheidergruppen bei nationalen Verfahren im Vergleich deutlich homogener erlebt.

Lohnt sich diese Mehrarbeit in der Akquise am Ende für die Agenturpartner? Das klingt erstmal nach mehr Aufwand für Agenturen …

Die Projekte sind sicherlich umfangreicher als bei nationalen Auswahlverfahren. Allerdings ist der zeitliche Scope der Zusammenarbeit auch längerfristig angelegt. Denn auch für Kunden ist der Aufwand der Vorbereitung und Durchführung hoch. Das macht man also nicht ständig, sondern die Unternehmen sind in der Regel an einer langen Partnerschaft interessiert und nach diesem Idealbild streben ja auch die meisten Agenturen.

Du hattest die teils heterogenen Teams auf Kundenseite schon erwähnt. Welche speziellen Herausforderungen ergeben sich daraus für Agenturen?

Die Kernherausforderung für Agenturen ist die Komplexität in der Aufgabenstellung und in der Entscheiderstruktur. Erfolgreich sind meines Erachtens die Agenturen, die es schaffen diese Komplexität zu reduzieren, sich zu fokussieren und die teils konträren Vorstellungen auf Kundenseite unter einen Hut zu bringen. Zugegeben, keine leichte Aufgabe.

Sind angesichts dieser Komplexität internationale Auswahlverfahren eher für Network-Agenturen interessant, die mit solchen Abläufen per se vertrauter sind?

Grundsätzlich nicht. Ich habe viele, kleinere lokale Agenturen kennengelernt, die von ihrem Heimatmarkt aus, internationale Kunden und deren Tochtergesellschaften betreuen können, indem sie ihr Team vor Ort mit Fachkräften aus unterschiedlichen Ländern erweitern oder auf ein gut funktionierendes, internationales Netzwerk von freien Mitarbeitenden zugreifen.

Aber häufig wollen gerade größere Kunden eine physische Präsenz ihrer Agentur in ihren unterschiedlichen Ländermärkten und das ist für kleine Agenturen dann doch schwerer darstellbar, oder?

Das stimmt. Da reicht es dann nicht, einige gute Köpfe in einem Co-Working Space in Shanghai sitzen zu haben. Kunden erwarten in diesem Fall, dass die Agentur in der nationalen Agenturszene wahrnehmbar ist und über eine entsprechende Reputation verfügt.

Bis dato können das vor allem Netzwerkagenturen leisten. Aber auch hier ist Transparenz wichtig. Ich habe viele Netzwerkagenturen erlebt, die versuchen, ihren potenziellen Kunden vorzumachen, sie seien ein global aufgestelltes Network, in dem weltweit gleich gearbeitet wird. Mit gleichen kreativen Standards und gleichen Services. Aber de facto sind die einem Network zugehörigen lokalen Agenturen sehr unterschiedlich.

Netzwerkagenturen sollten diese Vielfalt und Unterschiedlichkeit nicht unter den Teppich kehren, sondern als Wettbewerbsvorteil verstehen und hervorheben. Das setzt voraus, dass die für die Ausschreibung verantwortliche Lead-Agentur ihre Partner auf Landesebene gut kennt.

Wie hast du deutsche Agenturen im Vergleich zu Agenturen im Ausland in internationalen Pitches erlebt?

Der Unterschied liegt weitaus seltener in der Leistung und dem kreativen Output als in der Art und Weise der Zusammenarbeit mit dem Kunden. Dies zeigt sich bereits in den Chemistry Meetings. Alle kulturellen Aspekte haben ihre Vor- und Nachteile. Die chinesische Kultur ist nach wie vor noch sehr hierarchisch und von Machtdistanz geprägt. In Pitches äußert sich das zum Beispiel in der Fokussierung auf einzelne Entscheider.

In manchen, südeuropäischen Ländern habe ich eine stärkere Beziehungsorientierung erlebt. Hier ging es den Agenturen vor allem darum, eine enge Beziehung zu dem Kundenteam aufzubauen, bevor die Leistungsschau beginnt. Die deutschen Agenturen sind demgegenüber sehr prozessorientiert. Sie wollen stets alles perfekt machen.

Worauf sollte ein Kunde in Deutschland vorbereitet sein, wenn er sich für die Zusammenarbeit mit einer internationalen Agentur entscheidet?

Kunden müssen darauf vorbereitet sein, dass ein internationales Agentur Set-up zunächst kundenindividuell aufgebaut werden muss. Es gibt hier keine Musterlösung und das bedeutet, dass Kunden Zeit und Geld für den Aufbau einplanen müssen. Die Vorteile einer international agierenden Agentur mit mehr Synergien und einer länderübergreifenden Umsetzungskompetenz von Kommunikationsstrategien liegen auf der Hand.

Kunden vergessen jedoch, dass dies auch zu dauerhaften Koordinationsaufwänden seitens der Agentur und auf Unternehmensseite führt. Das muss eingeplant und budgetiert werden. Und dann, und das ist für mich die größte Herausforderung, müssen es Kunde und Agentur schaffen, ein gemeinsames, internationales Kollaborationsmodell zu etablieren, in dem alle Beteiligten auf Augenhöhe arbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen. Ganz unabhängig davon, ob sie aus dem Headquarter kommen oder nicht.

In welchen europäischen Metropolen finden sich potentiell interessante Agenturpartner?

Man kann beobachten, dass in den weniger gesättigten Metropolen wie zum Beispiel in Berlin oder Barcelona mehr Dynamik herrscht und das überträgt sich sicher auch auf die Menschen, die dort arbeiten. Grundsätzlich glaube ich aber, dass sich gerade europäische Metropolen immer mehr ähneln und das trifft dann auch auf die Talente zu, die in diesen Metropolen auf Agenturseite arbeiten. Zudem verliert der eine Standort für Kreative durch Remote Working ohnehin an Bedeutung. Deshalb habe ich zumindest in Bezug auf Agenturstandorte keine Geheim-Tipps in Europa.

Welche Erfahrungen hast Du mit Pitch Consultants als Unterstützer bei der Suche nach der richtigen, internationalen Agentur für eine Aufgabe gemacht?

Ich hatte das Glück, nur gute Erfahrungen zu machen. Es hilft schon sehr, wenn man inhaltlich und prozessual-organisatorisch unterstützt wird, gerade bei großen, internationalen Ausschreibungen. Aber, je weiter weg man vom Heimatmarkt ist, und damit in der Regel auch vom Standort des Pitch Consultants, desto wichtiger ist es, dass man auch die Kollegen vor Ort einbindet. Auch hier kann der externe, vermittelnde Blick helfen.

Können Unternehmen diese Prozesse grundsätzlich auch ohne externe Unterstützung managen?

Das geht prinzipiell, wenn sie hierfür Kapazitäten frei machen. Aber in der Praxis ist das unrealistisch. Bei Agenturen sind Pitches beinahe schon ein gewohnter Dauerzustand. Auf Unternehmensseite hingegen ist ein Pitch eher ein Ausnahmezustand. Große internationale Ausschreibungen finden in der Regel nur circa alle fünf Jahre statt. Das bedeutet, dass das Wissen zur Gestaltung von perfekten Pitchprozessen und zur Agenturlandschaft allgemein zum einen nicht aktuell ist und zum anderen häufig einfach die Zeit fehlt, Projekte professional aufzusetzen, weil dies für Kunden eine Aufgabe on top zum Tagesgeschäft ist.

Mirjam Jentschke ist langjährige Markentransformations-Expertin und Autorin. Zuletzt war sie auf Kundenseite als Head of Global Brand Management für Siemens Hausgeräte tätig. Als Gründerin der Beratung fautLefaire unterstützt sie Unternehmen und ihre Agenturpartner dabei, agiler, effektiver und kundenorientierter zu werden.

 


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