Interview mit Liane Siebenhaar, Effie Präsidentin GWA, zu den neuen Effectiveness Guidelines des GWA
Erstmals hat der GWA im Januar 2025 unter dem Titel “Don’t be effective by accident” exklusive Effectiveness Guidelines veröffentlicht. Auf acht Seiten bieten diese einen konkreten Bauplan für alle Marken- und Marketingverantwortliche, die die wachsende Komplexität im Marketing meistern und Wirksamkeit erzielen wollen. 20 Expert*innen aus Agenturen und werbungtreibenden Unternehmen, aus Media und Marktforschung sowie von Plattformen haben dafür als AutorInnen ihr Knowhow eingebracht.
Eine der Autor*innen ist Liane Siebenhaar, Sprecherin der Geschäftsführung und Chief Effectiveness Officer DACH bei Scholz & Friends, GWA Vorstandsmitglied und Vorsitzende der Effie Jury des GWA. Im Interview sagt sie, was hinter den Effectiveness Guidelines steckt und für wen sie wichtig sind.
Liane, welche sind aus deiner Sicht die drei Kernbotschaften der neuen Effectiveness Guidelines “Don’t be effective by accident” des GWA und warum sind sie für Werbungtreibende wertvoll?
Die drei wichtigsten Kernbotschaften sind erstens: Tut etwas, denn Effektivität kommt in den seltensten Fällen von allein. Zweitens: Messt und nutzt die Daten, die ihr habt. Und drittens: Schafft Räume, in denen gelernt und ausgetestet werden kann. Da Werbungtreibende die Datenhoheit haben und über die Daten verfügen, ist es essentiell, dass sie verstehen, wie wichtig es ist, die Daten gewinnbringend zu orchestrieren und einzusetzen. Die neuen Effectiveness Guidelines zeigen deshalb eine Übersicht über die aktuellen operativen Barrieren und geben Impulse, wie man diese Barrieren lösen kann. Hier gehören alle Partner*innen an einen Tisch: Kunde, Kreativagentur, Mediaagentur sowie Marktforschung und Plattformpartner*innen.
Und wie wertvoll sind die Effectiveness Guidelines für Agenturen?
Für Agenturen ist es wertvoll, ein vom GWA offiziell herausgegebenes Dokument zu haben, das die Herausforderungen in Data Operations aufzeigt. Das Dokument dient Agenturen dazu, es bei Kund*innen vorstellen zu können und liefert so auch eine gute Diskussionsgrundlage, wo man steht und was man gegebenenfalls noch verbessern kann.
Du bist als GWA Vorständin auch Juryvorsitzende der Effie Germany Awards. In den Effectiveness Guidelines schreibt Ihr: “Die meisten Arbeiten hätten beim Effie gar keine Chance”. Warum nicht?
Um einen Effie zu gewinnen und als Marke Impact zu generieren, braucht es eine gewisse Relevanz und Differenzierungskraft (Quelle: BAV 23/24). Wenn wir uns anschauen, welche Kommunikation über die für uns sichtbaren Werbemittel draußen ist, ist offensichtlich, dass viele Arbeiten weder das eine noch das andere bieten. Ein weiterer Grund ist, dass häufig die Datengrundlage nicht vorliegt, um überhaupt bewerten zu können, ob eine Arbeit effektiv war oder nicht.
Tatsächlich gaben laut einer Umfrage unter GWA-Mitgliedern 2023 nur 14 Prozent an, “voll und ganz” über genügend Daten für einen Effie Award zu verfügen. Eine alarmierende Zahl, nicht nur wegen der Effie Awards, sondern auch weil es ohne Daten nahezu unmöglich ist, effektive Markenkommunikation für die Kunden umzusetzen. Warum ist der Datenaustausch zwischen Agentur und Kunde so schlecht?
Der Datenaustausch ist schlechter geworden, da die Medienlandschaft viel komplexer geworden ist und es viele neue Erhebungsmethoden gibt. Neben dem klassischen Markentracking, haben wir Brandlift Studien jeder einzelnen Plattform. Man muss Social Media häufig durch individuelle Erhebungen tracken, da sie im klassischen Markentracking überhaupt nicht auftauchen. Hinzu kommen die Performance Daten, die zwar da sind, aber teilweise kein Indikator für Brandlift sind. Diese Daten zusammenzubekommen, erfordert einen operativen Plan, ein Data Management System und viel mehr Partner*innen am Tisch, als es noch vor 15 Jahren der Fall war.
Wie hilfreich wäre es für Agentur und Kunde, wenn Werbetreibende ein zentrales Datenmanagementsystem aufbauen?
Ein zentrales Datenmanagement wäre sehr hilfreich, nicht nur für den Jetzt-Zustand. Es ist auch essentiell für die Zukunft. Künstliche Intelligenz wird uns in Zukunft helfen, eine bessere Datenübersicht zu erhalten und Learnings zu generieren. Wenn wir über automatische beziehungsweise dynamische Optimierungen nachdenken, ist es essentiell, dass das Grundsetup stimmt. Also besser jetzt schonmal starten als hinterher auf der falschen Basis automatisch zu optimieren.
Interessant ist, dass Ihr in den Effectiveness Guidelines schreibt: “Die Qualität der Creative ist entscheidend für den Kampagnenerfolg.” Mit 50 bis 70 Prozent Wirkungsanteil ist und bleibt Creative der wichtigste Faktor beim ROI. Was bedeutet das für die Erfolgsmessung vor, während und nach einer Kampagne?
Ein Creative ist erfolgreich, wenn es sich differenziert, empathisch ist und den Zeitgeist trifft (Quelle: Ipsos 2022, BAV 2024). Learnings auf den Kampagnen helfen dabei, eine Marke und ihre Zielgruppe besser zu verstehen. Dabei können diese Learnings per Tracking erhoben werden oder in naher Zukunft durch einen Digital Twin operationalisiert werden, der sukzessiv mit Learnings und Daten angereichert wird. So oder so hilft es dabei, die Kreativstrategie zu formen und das Creative noch stärker auf Ziele und Zielgruppe zuzuschneiden.
Letzte Frage: Die Effectiveness Guidelines betonen, dass eine kraftvolle Strategie das Rückgrat effektiver Kommunikation sei, und diese Strategie bereits beim Kundenbriefing beginnt. Ihr empfehlt deshalb einen kollaborativen Rebriefing-Prozess. Wie genau sollte der aussehen – und welche Hürden müssen Kund*innen und Agenturen dabei immer wieder nehmen?
Generell ist mehr Austausch für das Projekt Set-up bereits zu Anfang des Projekts sinnvoll. Denn wenn alle Partner ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, was das Ziel und die Vision ist, wird es zur Mitte und zum Ende hin viel effektiver und macht auch mehr Spass in der Zusammenarbeit. Es gibt zwar Prozesse und Operating Modelle, die man sich anschauen kann, eine detaillierte Standardlösung, die immer und überall funktioniert, gibt es aber nicht. Deshalb sollte dies zu Beginn mit allen Partnern ausgearbeitet und individualisiert werden. Eine gute Leitplanke dafür ist das Framework: Plan, Build, Run.