Interview mit Will Rolls, Meta, zu den neuen Effectiveness Guidelines des GWA
Erstmals hat der GWA im Januar 2025 unter dem Titel “Don’t be effective by accident” exklusive Effectiveness Guidelines veröffentlicht. Auf acht Seiten bieten diese einen konkreten Bauplan für alle Marken- und Marketingverantwortliche, die die wachsende Komplexität im Marketing meistern und Wirksamkeit erzielen wollen. 20 Expert*innen aus Agenturen und werbungtreibenden Unternehmen, aus Media und Marktforschung sowie von Plattformen haben dafür als AutorInnen ihr Knowhow eingebracht.
Einer der Autor*innen ist Will Rolls, Agency Partner Effectiveness bei Meta. Im Interview erklärt er, was hinter den Effectiveness Guidelines steckt und für wen sie wichtig sind.
Welche sind aus deiner Sicht die drei wichtigsten Kernbotschaften der neuen Effectiveness Guidelines “Don’t be effective by accident” des GWA?
Für mich sind die wichtigsten Aspekte 1. gute Zielsetzung, 2. kausale Erfolgsmessung und 3. Test & Learn. Warum? Weil die sowohl für gute Kampagnen existenziell wichtig sind, aber auch in unserer Branche verbesserungswürdige Bereiche sind. Ich sehe ständig Prozesse, die 1 überspringen, 2 zu spät berücksichtigen (wo es nicht mehr möglich ist) und 3 total vernachlässigen, weil man noch gewohnt ist, sich für ‚eine Route‘ zu entscheiden. Die Marken, die demütig-mutig, offen und experimentierfreudig mit ihrer Kommunikation umgehen, werden die großen Gewinner sein.
Wie wertvoll sind die Effectiveness Guidelines für Agenturen?
Wir reden viel über Effektivität, aber ich kenne keinen Werbetreibenden, der bei sämtlichen Werbeausgaben einen genauen, umfassenden Netto-ROI (Return on Investment) zu seiner Markenkommunikation artikulieren kann. Es ist noch eine Black Box, und mit Einhaltung dieser Guidelines wird die Black Box ein bisschen transparenter und hilft dem Auftraggeber, den positiven Beitrag (oder auch nicht) seiner Agentur zu sehen..
Und warum sind die Effectiveness Guidelines auch wichtig für Agenturen?
In einem knappen Satz: Agenturen kennen die Kosten, aber nicht immer den Wert ihrer Ideen. Aber ich gebe gerne Kontext: Vor einem wirtschaftlichen Hintergrund, bei dem die Ausgaben für Markenkommunikation immer häufiger in Frage gestellt werden, ist es kritisch, dass Unternehmen offensiv-positiv handeln und Wachstum, Nachfrage und Aufschwung fördern, vor allem dort, wo sich andere Marken zurückziehen. Da helfen natürlich ‚mutige‘ Ideen, aber viele wissen nicht genau, inwieweit der Mut sich ausgezahlt hat. Die richtigen Stellschrauben helfen Teams, genau nachzuvollziehen, ob der Plan aufgegangen ist, oder ob man justieren soll.
Die neuen Effectiveness Guidelines nennen “fünf praktische Leitplanken als ultimative Anleitung zur Erfolgsmessung”. Wie genau sehen diese Leitplanken aus?
Das Gute daran: Sie sind klar, leicht zu merken und lassen sich auch ohne Marketing Buzzwords erklären. Zunächst kommt die Grundlage: Die Ziele der Kommunikation müssen immer transparent und in Business-Mehrwert kommuniziert werden. Nicht in Views, Likes oder Viralität, sondern in Hinblick auf den Business-Beitrag. Was also ist der Business Beitrag? Ist es eine veränderte Wahrnehmung der Marke? Sind es mehr Website-Besucher? Sales? Dazu kommt die Notwendigkeit, den Erfolg zu messen, und zwar kausal, sodass die DNA-Spuren einer Kampagne als Beweismittel am Erfolgsort sind. Drittens erwarten wir, dass Kampagnendaten transparent zwischen Partner*nnen geteilt werden. Wir mussten feststellen, dass das leider nicht der Fall ist – insbesondere Kreativagenturen fliegen hier blind. Vorletzter Punkt der Leitplanken ist eine Bitte: Media und Kreation sollten endlich im Schulterschluss miteinander arbeiten. Moderne Medien verlangen eine Kooperation zwischen den beiden Gewerken – nur so entfaltet man die volle Kraft von Medien in der Ära von KI. Und der letzte Punkt ist einer, bei dem wir wirklich noch Luft nach oben sehen: mehr Test & Learn. Das ist so ein wichtiger Bereich, hier können gut strukturierte Tests wichtige Insights über Kampagne und Marke liefern.
Ein wichtiger Aspekt der Effectiveness Guidelines ist auch die KPI Pyramide. Ohne die ginge gar nichts, schreibt Ihr. Was muss man sich darunter vorstellen?
Die Pyramide ist eine Übersicht der Business Ziele, die daraus abgeleiteten Kommunikationsziele und auch die Methoden, mit denen man das alles messen kann. Wichtig dabei ist, dass wir die primären Ziele und auch die Proxies nennen – Proxies sind Werte wie beispielsweise Sehdauer oder Likes, bei denen man vermuten kann, dass etwas einen Beitrag geleistet hat, es für Beweise aber richtige Studien zu Marke oder Conversion braucht.
Eine der Leitplanken nennt die große Vielfalt an möglichen Messinstrumenten, deren zielführender Einsatz neben der richtigen Wahl vom jeweiligen Kampagnenziel und -zeitpunkt abhängt. Kannst Du hierfür Beispiele nennen?
Meine beiden Favourites sind Lift Studies und MMMs (Marketing Mix Modelling). Lift Studies sind sehr überzeugend, weil sie eine ‚Kontrollgruppe‘ nutzen, in der ein paar Leute die Kampagne nicht sehen. Dann erkennen wir den Beitrag der Kampagne, indem wir nach Unterschieden in dem Verhalten oder nach Meinung/Awareness zwischen beiden Gruppen schauen. MMM hingegen funktioniert, indem es historische Daten über Verkäufe, Marketingausgaben und andere Faktoren wie wirtschaftliche Indikatoren, Saisonalität und Wettbewerberaktivitäten analysiert. Das Modell schätzt dann den Einfluss jeder Marketingvariable auf Verkäufe oder andere Geschäftsergebnisse ein, sodass Marketer ihren Marketingmix optimieren und Ressourcen effektiver allozieren können.
Ihr schreibt “Potenzial-, Media- und Kommunikationszielgruppe werden oft verwechselt, mit der Folge, dass die Zielgruppen von Media- und Kreativagentur nicht ausreichend aufeinander abgestimmt sind”. Wie fatal ist das im Sinne effektiver Markenkommunikation und wie macht man es richtig?
Ich würde nicht ‚fatal‘ sagen, das ist zu stark. Aber wir müssen uns im Klaren sein: Wenn ich beispielsweise Sportartikel verkaufe, ist es eine Versuchung, sowohl die Kreation als auch die Mediaplanung nur auf Menschen auszurichten, die sportlich unterwegs sind. Das mag von der kreativen Idee richtig sein, aber enge Media Targetings sind oft teuer, und viele nicht-sportliche Leute kaufen auch Sportartikel. Deswegen ist es so wichtig, die richtige Bezeichnung bei jeder Zielgruppe zu nutzen.
Letzte Frage: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz gewinnt immer größere Bedeutung sowohl auf Agentur- als auch auf Kundenseite. Die Komplexität der Aufgaben steigt auf beiden Seiten. Wie können Agenturen als strategischer Partner der Kunden künftig auf Augenhöhe bleiben und welche Rolle können dabei die neuen Effectiveness Guidelines spielen?
Die Grundlage für KI ist ‚Lernen‘, und Daten sind hierfür elementar. Menschen sind hier nicht anders und können oft unerwartete Ideen haben. Aber das geht nur, wenn man seine Aufgabe und seine Wirkung beziehungsweise seinen Beitrag versteht. Und wenn man dazu in der Lage ist, zu testen, umso besser! Die Effectiveness Guidelines sind wichtig, weil so menschliche Teams genau die gleichen Vorteile und Insights haben, wie KI es hat.