Nachruf auf Bernd M. Michael
Das Thema Marke war nicht nur seine große Leidenschaft, er war selbst eine. Wer Bernd M. (für „Martin“) Michael jemals erlebt hat, kann ihn auch heute noch sofort mühelos beschreiben – sehr eindeutige Statements, temperamentvoll vorgetragen, am liebsten zu Marken (-kern, -strategie, -positionierung, -kommunikation, etc.). Und natürlich die rote Krawatte und die rote Brille. Sein Markenverständnis war eher ein strategisch-betriebswirtschaftliches als ein – nennen wir es mal „künstlerisches“. So hat unter seiner Führung Grey vor allem bei den Effies reüssiert, ein Award, dessen Logik ihm sehr gelegen kam. Für sein Lieblingsthema Marke hat er sich auch abseits der Agentur engagiert – beim GWA viele Jahre im Vorstand, an dessen Spitze er für zwei Jahre als Präsident stand. Die gleiche Position bekleidete er beim europäischen Agenturverband EACA und später dann noch Deutschen Marketing Verband, der Vereinigung der Marketing-Clubs.
Bernd Michael stammt aus dem Osten Deutschlands, genauer aus Dresden. Die Familie flüchtet Richtung Westen, wo sie 1947 am Starnberger See unterkommt. Mit 14 Jahren beschließt Michael nach Lektüre des Buches „Propaganda“ von Claude Hopkins in die Werbung zu gehen. Nach mittlerer Reife bekommt er einen Ausbildungsplatz bei der Agentur Gabler in München, die mit 600 Mitarbeitern und Kunden wie Procter & Gamble zu den größten und bedeutendsten des Landes gehörte. Früh übertrug ihm Agenturgründer Gabler Verantwortung, Michael stach auch optisch, stets in Anzug und Krawatte gekleidet, aus der Schar der zwanzig Lehrlinge heraus. Diesen Hang zum Selbstmarketing hat Michael zeit seines Lebens nie abgelegt, stets trug er rote Brillen, rote Einstecktücher, rote Krawatten und fuhr rote Autos. Die Berufsschule hält Michael für verschwendete Zeit, er lässt sich von seinem Chef befreien. Dann widerfährt Gabler das, was in dieser Zeit vielen Inhaber-geführten Agenturen passiert ist. Der internationale Kunde Procter & Gamble drängt auf internationale Agenturbetreuung und fordert Gabler auf, mit einer amerikanischen Agentur zu fusionieren. Als der Agenturchef dies verweigert, zieht P & G ab – und Bernd Michael gleich mit. Er wechselt 1966 zur Agentur Gramm nach Düsseldorf, die ebenfalls für das amerikanische Unternehmen arbeitet und an der die US-Agentur Grey beteiligt ist. Auch Michael beteiligt sich, aus Gramm wird Gramm & Grey und schließlich Grey. Die Agentur steigt auf Platz zwei der deutschen Rangliste auf, wobei nicht in erster Linie Kreativität als vielmehr Wirksamkeit der Marketing-Kommunikation im Zentrum steht. Dort beendet Bernd M. Michael 2005 als Chairman und Chief Executive Officer (CEO) von Grey für Europa, den Mittleren Osten und Afrika seine Karriere. 1992 kürte ihn HORIZONT zum “Agenturmann des Jahres”, 2008 wurde er in die “Hall of Fame der deutschen Werbung” aufgenommen.
Ein Hobby, das er mehr als dreißig Jahre betrieb, wurde ihm zum Verhängnis. Beim Polo stürzte Michael im September 2009 unglücklich und erlitt schwere Kopfverletzungen, von denen er sich seitdem nur langsam erholte. Am 20. April 2023 ist mit Bernd M. Michael nun einer der ganz Großen der Branche verstorben. Er ruhe in Frieden.